Ostrau: Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung – Geflügelpest

Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung über die Anordnung der Aufstallung von Geflügel zum Schutz vor der Geflügelpest und die Beschränkung der Durchführung von Veranstaltungen mit Geflügel zum Schutz gegen die Geflügelpest in Risikogebieten


Das Landratsamt Mittelsachsen, Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt (LÜVA) erlässt an Halter von Geflügel in den unter Punkt 1. genannten Gebieten und Ortsteilen folgende

Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung

1.   In den folgenden Gebieten (nachfolgend Risikogebiete genannt) wird die Aufstallung der unter

Punkt 2. benannten Tiere angeordnet:

Die Risikogebiete umfassen

a) das Gebiet von 500 Metern ab der Uferlinie folgender Flüsse und Gewässer

  • Chemnitz
  • Flöha
  • Freiberger Mulde
  • Zschopau
  • Zwickauer Mulde
  • Großhartmannsdorfer Großteich
  • Talsperre Kriebstein
  • Talsperre Lichtenberg, einschließlich der Vorsperre Dittersbach
  • Talsperre Rauschenbach

b) folgende Ortslagen

  • von der Gemeinde Bobritzsch-Hilbersdorf die Ortsteile: Hilbersdorf, Naundorf
  • von der Großen Kreisstadt Döbeln der Ortsteil: Beicha
  • von der Gemeinde Dorfchemnitz der Ortsteil: Voigtsdorf
  • von der Stadt Hartha der Ortsteil: Steina
  • von der Stadt Leisnig der Ortsteil: Doberschwitz
  • von der Gemeinde Mulda der Ortsteil: Zethau
  • von der Gemeinde Ostrau die Ortsteile: Ostrau, Schrebitz, Sömnitz, Töllschütz
  • von der Gemeinde Reinsberg der Ortsteil: Hirschfeld
  • von der Großen Kreisstadt Rochlitz der Ortsteil: Breitenborn
  • von der Stadt Roßwein der Ortsteil: Niederforst
  • von der Gemeinde Seelitz die Ortsteile: Gröbschütz, Zschaagwitz
  • von der Gemeinde Striegistal der Ortsteil: Pappendorf

Eine interaktive Karte der Gebietskulisse ist hier einsehbar: http://www.mittelsachsen-atlas.de/atlas/index.html?search1=Gefl%C3%BCgelpest

2.   Jeder, der in den in Punkt 1. genannten Risikogebieten Geflügel hält, hat dies unverzüglich unter Angabe seines Namens, seiner Anschrift und der Art und Anzahl, der Nutzungsart und ihres Standortes, bezogen auf die jeweilige Art sowie die bisherige Haltungsform (in Ställen oder im Freien) beim LÜVA anzuzeigen, sofern dies noch nicht erfolgt ist.

3.   In den unter Punkt 1 genannten Risikogebieten dürfen Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Wachteln, Enten und Gänse (= Geflügel, ausgenommen Laufvögel) bis auf Widerruf ausschließlich in geschlossenen Ställen oder unter einer Schutzvorrichtung (Vorrichtung, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und mit einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenbegrenzung stehen muss, wobei Netze oder Gitter, die zur Abdeckung nach oben genutzt werden, nur anerkannt werden, wenn ihre Maschenweite maximal 25 mm beträgt) gehalten werden.

4.   Für die Punkte 1. bis 3. wird die sofortige Vollziehung angeordnet.

5.   Ausnahmen von den Bestimmungen des Punktes 3. sind nur nach vorheriger Genehmigung des LÜVA möglich.

6.   Diese Allgemeinverfügung wird durch öffentliche Bekanntmachung verkündet und tritt am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft.

Für diese Allgemeinverfügung werden keine Kosten erhoben.

Gründe

I.

Das Risiko der Ausbreitung des hochpathogenen aviären Influenza-A-Virus (HPAIV) in Wasservogelpopulationen und der Eintrag in Geflügelhaltungen und Vogelbestände in zoologischen Einrichtungen wird durch die Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Institutes (FLI) vom 04.12.2020 als hoch eingestuft.

Das belegen die umfangreichen Funde von HPAI-Viren vor allem an der Nord- und Ostsee, aber auch das zunehmende Auftreten in Deutschland.

Am 19.11.2020 wurde bei einer Wildente im Landkreis Nordsachsen hochpathogenes aviäres Influenza-A-Virus (HPAIV) vom Subtyp H5N8 nachgewiesen. Danach gab es positive HPAIV H5N8-Nachweise in zwei Geflügelhaltungen im Landkreis Leipzig. Ein Teil des dadurch zu bildenden Beobachtungsgebietes liegt im Landkreis Mittelsachsen (s. Allgemeinverfügung vom 27.12.2020).

Es ist davon auszugehen, dass die Dichte der Wildvogelpopulationen in den Rastgebieten weiter zunehmen wird. Dies erhöht das Risiko der Virusübertragung und Ausbreitung, insbesondere bei Haltungen in der Nähe von Wasservogelrast- und Wildvogelsammelplätzen, einschließlich Ackerflächen, auf denen sich Wildvögel sammeln.

Infolgedessen hat das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) per Erlass vom 30. Dezember 2020 verfügt, dass die Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter (LÜVÄ) die risikobasierte Aufstallung des Geflügels (ausgenommen Laufvögel) in den durch die LÜVÄ regional risikobewerteten Gebieten bis auf Widerruf anordnen.

Die Durchführung der Risikobewertung hat auf dem nachfolgenden Modell der regionalen Risikobewertung sowie den Regularien des § 13 Abs. 2 der Geflügelpest-Verordnung zu beruhen und berücksichtigt

  • die Geflügeldichte im 1000 m Grid > 500 Stück je km²
  • positive HPAI-Befunde bei Wildvögeln der letzten Jahre
  • bekannte Gebiete mit hoher Wildvogeldichte/Wildvogelrast-, Wildvogelschlaf- und Wildvogelsammelplätze auf Basis der Ergebnisse der Wasservogelzählungen der Jahre 2010 bis 2016
  • die Gewässerstrukturen und
  • Ausbrüche von Geflügelpest in angrenzenden Landkreisen.

II.

Das LÜVA Mittelsachsen ist sachlich und örtlich für den Erlass dieser amtlichen Anordnung zuständig, gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 TierGesG i. V. m. § 1 Abs. 1, 2 und 6 SächsAGTierGesG bzw. § 3 Abs. 11 VwVfG i. V. m. § 1 SächsVwVfZG.

Die amtliche Anordnung in Form der Allgemeinverfügung richtet sich an Halter und damit verantwortliche Personen von Geflügel in den genannten Risikogebieten.

Zu 1. und 3.:

Nach § 13 Geflügelpest-VO ordnet die zuständige Behörde die Aufstallung an, soweit dies auf der Grundlage der Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist.

Aufgrund der Risikobewertung des FLI muss nunmehr von einem massiven Auftreten von HPAIV H5N8 mit einem in der Wildvogelpopulation hohen Virusdruck ausgegangen werden und nicht mehr nur von lokal begrenzten Seuchengeschehen. Zum 6. Januar 2021 gab es 465 gemeldete Ausbrüche von HPAI bei Wildvögeln in 12 Bundesländern in den letzten 90 Tagen in Deutschland.

Durch die damit verbundene Ausbreitungstendenz der Wildvogel-Geflügelpest erhöht sich auch das Risiko für einen Eintrag in die Hausgeflügelbestände. Dies ist auch an der zunehmenden Anzahl von Ausbrüchen in Hausgeflügelbeständen erkennbar (32 Fälle in 5 Bundesländern in den letzten 90 Tagen).

Potentielle direkte und indirekte Kontakte zwischen Hausgeflügel und Wildvögeln sind daher möglichst effektiv zu verhindern. Eine allgemeine Aufstallungspflicht nicht nur in unmittelbarer Fundortnähe, sondern in allen identifizierten Risikogebieten, ist dabei das Mittel der Wahl.

Die Auswahl und Bewertung der genannten Gebiete als Risikogebiete, in denen eine Aufstallung eine beachtliche Risikominderung des Eintrags der Geflügelpest durch Wildvögel in Hausgeflügelbestände bedeutet, folgt der Risikobewertung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt i. V. m. § 13 Abs. 2 Geflügelpest-VO.

Demnach wurden bei der Bewertung folgende Kriterien berücksichtigt:

Die örtlichen Gegebenheiten einschließlich der Nähe zu Gebieten, in denen sich wildlebende Wat- und Wasservögel sammeln, insbesondere einem Feuchtbiotop, einem See oder einem Fluss, an dem die genannten Vögel rasten, brüten oder anderweitig in einen epidemiologischen Zusammenhang gebracht werden, die Geflügeldichte, das sonstige Vorkommen oder Verhalten von Wildvögeln, positive HPAIV-Befunde bei Wildvögeln aktuell sowie in den vorangegangenen Jahren, der Verdacht auf Geflügelpest

oder der Ausbruch der Geflügelpest in einem direkt angrenzenden Nachbarkreis sowie Einzelbetriebe mit besonderer Bedeutung. Treffen ein oder mehrere der benannten Faktoren regional zu, ist hier von einem erhöhten Risiko des Eintrags der Tierseuche in den Hausgeflügelbestand auszugehen. Dieser Sachverhalt konnte in den unter Punkt 1 benannten Gebieten nachgewiesen werden, insofern sind erhöhte über das normale Maß der Biosicherheitsmaßnahmen hinausgehende Schutzmaßnahmen notwendig und anzuordnen.

Das LÜVA hat die Risikobewertung in der aktuellen Lage überprüft und bestätigt. Daraus ergibt sich vorliegend, dass die Aufstallung in den unter Punkt 1 aufgeführten Gebieten und Gemeinden zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist. Entsprechend dem Erlass des SMS vom 30.12.2020 erfolgt im Abstand von max. 30 Tagen durch das Landestierseuchenbekämpfungszentrum/SMS die Neubewertung der epidemiologischen Situation dahingehend, ob die Anordnung der Aufstallung aufrechterhalten werden muss oder vollkommen bzw. partiell aufgehoben werden kann.

Das Geflügelpestgeschehen 2016/2017 hat gezeigt, dass eine Aufstallung von Laufvögeln in der Praxis mit erheblichen Problemen verbunden ist. Daher sind Laufvögel einzeln zu regeln und von dem Geltungsbereich einer Allgemeinverfügung auszunehmen.

Für eine effektive Seuchenbekämpfung ist die Kenntnis aller Geflügelhaltungen in dem betroffenen Gebiet essentiell. Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Meldung besteht unabhängig von der Seuchenlage (§ 2 Geflügelpest-VO). Im Rahmen des Ausbruchsgeschehens wird hiermit noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen.

Zu 4.:

Auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO kann die sofortige Vollziehung im besonderen öffentlichen Interesse angeordnet werden. Die Voraussetzung liegt hier vor, da die Geflügelpest eine akut verlaufende und leicht übertragbare Viruskrankheit ist, die für Tiere eine Gefahr darstellt und, aufgrund des grundsätzlichen Zoonosecharakters, auch für Menschen beachtlich ist und somit die Gefahr von tiergesundheitlichen wie auch wirtschaftlichen Folgen sofort unterbunden werden muss. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtung der angeordneten eilbedürftigen Maßnahmen würde bedeuten, dass anderenfalls eine wirksame Bekämpfung der Tierseuche nicht mehr gewährleistet wäre. Ein Ausbruch in einem Geflügelbestand bedeutet zudem einen immensen wirtschaftlichen Schaden für den unmittelbar Betroffenen sowie die mittelbar betroffenen Tierhalter in den einzurichtenden Restriktionszonen.

Es ist daher sicherzustellen, dass auch während möglicher Widerspruchs- bzw. Klageverfahren alle notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen rechtzeitig und wirksam durchgeführt werden können.

Demgegenüber haben die sonstigen Interessen von Geflügelhaltern oder sonstigen Dritten in dem oben genannten Aufstallungsgebiet zurückzustehen.

Darüber hinaus entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. sowie § 37 S. 1 Nr. 2 und 7 Tiergesundheitsgesetz.

Zu 5.:

Über Anträge auf Ausnahmen vom Aufstallungsgebot entscheidet die zuständige Behörde einzelfallbezogen (§ 13 Abs. 3 Geflügelpest-VO). Der Antrag kann beim LÜVA Mittelsachsen gestellt werden schriftlich oder zur Niederschrift. Hierdurch können weitere Kosten entstehen.

Zu 6.:

Auf Grundlage der §§ 41 Abs. 4 Satz 4, 43 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz kann als Zeitpunkt der Bekanntgabe und damit des Inkrafttretens einer Allgemeinverfügung der Tag, der auf die Bekanntmachung folgt, festgelegt werden. Von dieser Möglichkeit hat das Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt zur Verhütung der Weiterverbreitung der Geflügelpest Gebrauch gemacht. Die angeordneten tierseuchenrechtlichen Maßnahmen dulden keinen Aufschub.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Adressatenkreis so groß ist, dass er, bezogen auf Zeit und Zweck der Regelung, vernünftigerweise nicht mehr in Form einer Einzelbekanntgabe angesprochen werden kann. Von einer Anhörung wurde daher auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG abgesehen.

Die angeordneten Punkte und Maßnahmen sind erforderlich, dabei aber zugleich geeignet, die Ausbreitung der Geflügelpest zum derzeitigen Kenntnisstand wirksam zu verhindern und die Seuche zu bekämpfen. Dennoch sind sie in Anbetracht der besonderen Bedeutung der Geflügelpest für Vögel/Geflügel und aufgrund des grundsätzlichen Zoonosecharakters angemessen.

III.

Die Nichterhebung von Kosten beruht auf § 3 Abs. 1 Pkt. 3 SächsVwKG. Diese Amtshandlung wird im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Landratsamt Mittelsachsen, Sitz in 09599 Freiberg, einzulegen.

Die Schriftform kann durch die elektronische Form ersetzt werden. In diesem Fall ist das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Die Signierung mit einem Pseudonym, das die Identifizierung des Signaturschlüsselinhabers nicht ermöglicht, ist nicht zulässig.

Die Zugangseröffnung für elektronische Übermittlung erfolgt über die E-Mail-Adresse egov@landkreis-mittelsachsen.de.

Der Widerspruch kann auch durch DE-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach dem DE-Mail-Gesetz erhoben werden. Die DE-Mail-Adresse lautet: post@landkreis-mittelsachsen.de-mail.de

Hinweise:

Weitere Einzelheiten zur elektronischen Kommunikation sind auf der Internetseite des Landkreises Mittelsachsen unter www.landkreis-mittelsachsen.de/e-kommunikation.html zu finden.

Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs entfällt jedoch gemäß § 37 TierGesG.

Diese Allgemeinverfügung gilt am Tag nach der Veröffentlichung in der elektronischen Ausgabe des Amtsblattes als bekanntgegeben.

Mittweida, den 7. Januar 2021

gez. Dr. Markus Richter

Amtstierarzt

Quelle: https://www.gemeinde-ostrau.de/news/1/632458/nachrichten/tierseuchenrechtliche-allgemeinverf%C3%BCgung-gefl%C3%BCgelpest.html